Danke an Eva-Maria Reuther für das anregende Gespräch und den wunderbaren Artikel!
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Die TV-Kolumnistin Eva-Maria Reuther hat mit dem Trierer Fotografen Tom Klein über seine Kunst gesprochen.
Von Eva-Maria Reuther
Die Kraft und Faszination langsamer Bilder ist oft gewürdigt worden. Auch Tom Kleins Foto-Arbeiten leben von solcher Langsamkeit. Der Trierer Foto-Künstler ist keiner, der auf den Augenblick aus ist, um ihn in Bruchteilen von Sekunden einzufrieren. Die Fotografien des 1970 in Waiblingen bei Stuttgart geborenen Fotografen sind allesamt sorgfältige Inszenierungen, in denen sich Realität und Vorstellung bildgebend verdichten.
„Das eine Auge des Fotografen schaut weit geöffnet durch den Sucher, das andere, das geschlossene, blickt in die eigene Seele“ hat Altmeister Henri Cartier-Bresson die ambivalente Wahrheit eines Fotos auf den Punkt gebracht. Auch Tom Kleins Fotos entstehen aus solcher Verdichtung von Innen- und Außenschau. Dabei geht Kleins Blick nach innen immer wieder zurück in die geschichtliche Vergangenheit, die er in seinen fotografischen Inszenierungen gegenwärtig macht. „Ich bin ein verhinderter Historiker“, sagt der Fotograf.
Kleins Interesse an Geschichtlichem erkennt sogleich, wer sein Atelier in der Karl-Marx-Straße betritt. An der Wand stehen Ständer mit Roben vergangener Zeiten, davor ein mit Samt bezogener Stuhl, der den historischen Vorbildern nachgebaut ist, auf denen einst Menschen, die fotografiert werden sollten, wegen der langen Belichtungszeiten unbeweglich posieren mussten. Geduld im fotografischen Prozess, aber Schnelligkeit bei der Entwicklung erfordert die eindrucksvolle großformatige Plattenkamera in der Ecke auf ihrem ausladenden Gestell. Und selbst die analoge doppeläugige Rolleiflex, auf dem Tisch widersetzt sich der schnellen Nummer digitaler Schnappschüsse.
Kleins Fotos zeigen Damen in historischen Gewändern, stimmungsvolle Porträts, die an Vorbilder des frühen 20. Jahrhunderts erinnern oder Menschen in der Kleidung der 1930er Jahre. An der Wand hängen die Ergebnisse der Kollodium-Nassplattenfotografie des Atelierinhabers. Ein Verfahren, das im späten 19. Jahrhundert entwickelt wurde und bei dem zur Bildschöpfung eine Speziallösung auf Metall- oder Glasplatten aufgetragen wird.
Kleins langsame Fotografie und seine Begeisterung für alte Zeiten hat allerdings nichts mit romantisierender Nostalgie oder Retro-Kitsch zu tun. Das würde auch kaum zu dem Mann passen, der Eisenbahnwesen und Luftverkehrsmanagement in Deutschland und England studierte und heute bei einer Luftfahrtsgesellschaft in Luxemburg arbeitet. Was zunächst für den Luftverkehrsfachmann Hobby war, wurde zur systematischen Beschäftigung als sich der Fotograf 2015 und 2016 in Düsseldorf und Berlin in der Großformatfotografie und ihren Verfahren fortbildete und in Trier sein Atelier für historische und experimentelle Fotografie eröffnete. „Mir gefällt einfach die Ästhetik“, erklärt Klein mit dem Blick auf seine historisierenden Fotos.
Eindrücklich wird das in seiner Schwarz-Weiß Serie „Transatlantic“ sichtbar. Vor einem Jahr hatte der Fotograf an Bord des letzten Nordatlantikliners RMS Queen Mary 2 auf der Überfahrt von Southhampton nach New York die Musiker der Band des Engländers Alex Mendham, die sich der Musik der Jahre 1920 bis 1940 widmet, in ihren historischen Kostümen fotografiert. Auf den ersten Blick könnten die perfekten Inszenierungen und Bilderzählungen tatsächlich aus den „roaring Twenties“ stammen oder den wilden Dreißigern. Doch schon der zweite Blick auf die Frische und Qualität der Abzüge, oder auf das zeitgenössische Umfeld von Plätzen und Gebäuden stellt die schnelle Einordnung in Frage und macht die Fotos zu Grenzgängern zwischen den Zeiten. In Tom Kleins langsamen historisierenden Fotografien gerinnt die Zeit. Die Illusion wird darin Gegenwart ohne die Jetztzeit zu verdrängen.
Eva-Maria Reuther